Geschichte des Stadtteils [Badisch-] Igelsbach

Dr. Rüdiger Lenz

Die Entstehung des Weilers Igelsbach ist umstritten. Die Zuordnung des in der Heppenheimer Markbeschreibung von 795 erwähnten „Igilesbuoch“ zum heutigen Igelsbach gilt als problematisch und kann sich höchstens auf ein Waldstück im Raum Hirschhorn beziehen. Der Weiler Igelsbach lässt sich definitiv erst seit der Mitte des 14. Jahrhunderts nachweisen, er war schon damals zwischen den Herrschaftsbereichen Eberbach und Hirschhorn geteilt. Die Grenze zwischen beiden Teilen von Igelsbach geht auf eine alte Herrschaftslinie zurück, die schon Mitte des 16. Jahrhunderts abgesteint war. Obwohl der Eberbacher Anteil an Igelsbach bereits um 1370 zum ersten Mal erwähnt wird, ist er dennoch als eine jüngere Ausbausiedlung einzuschätzen. Er scheint durch fortgesetzte Rodungen aus dem pfälzischen Herrschaftswald entstanden zu sein. Der Pfalzgraf war Grundherr über seinen Bereich, denn er zog das sog. „Herdrecht“ ein, das in Igelsbach in ähnlicher Weise wie in [Neckar-] Wimmersbach erhoben wurde. Der erst seit dem 19. Jahrhundert „Badisch-Igelsbach“ genannte Stadtteil war an die Kellerei Eberbach zinspflichtig und zählte zur Zent Eberbach. Der Hirschhorner Teil an Igelsbach wird zwar erst 1390 sicher bezeugt, doch gilt er als der eigentliche Kern der Siedlung. Er war zusammen mit mehreren Dörfern der Umgebung, darunter Brombach, [Unter-] Finkenbach, [Unter-] Schönmattenwag, Darsberg, Rothenberg und [Ober- und Unter-] Hainbrunn, Zubehör der Burg Hirschhorn, die von ihren Untertanen die üblichen herrschaftlichen Zinsen erhielt und ungemessene Frondienste beanspruchte.

Beide Hälften von Igelsbach teilten das Schicksal der ihnen übergeordneten Herrschaftsbezirke Hirschhorn bzw. Eberbach. Im frühen 19. Jahrhundert wurden sie hessisch bzw. badisch. Der Hirschhorner Anteil an Igelsbach zählte Mitte des 16. Jahrhunderts sechs steuerpflichtige Untertanen, deren Häuser und Hofstätten nebeneinander lagen und sich bis zur Grenze der pfälzischen Kellerei Eberbach erstreckten. Zum Eberbacher Teil zählten vier Bauern, zusammen 21 Personen. Ihr Ackerland lag zum Teil am Bösen Berg, die Wiesen im Weiler, am Gammelsbach, bei der Igelsbacher Mühle und am Neckar. Ein Gewerbe übte keiner von ihnen aus. 1683 waren drei Familien ansässig, 1843 bereits sechs Familien, jede von ihnen besaß ein eigenes Haus. Die Bevölkerungszahl betrug 45 Personen, davon waren 43 Katholiken, zwei zählten sich zur evangelischen Religionsgemeinschaft. Ihren Holzbedarf durften die Untertanen aus städtischen Wäldern diesseits des Gammelsbachs decken. Die ungeklärten Grenzverhältnisse gaben aber zu ständigen Streitigkeiten Anlass, besonders bei den damals wichtigen Weide- oder Triebrechten.

Der Eberbacher Anteil an Igelsbach durchlief innerhalb des Verbandes der sich seit dem 16. Jahrhundert herausbildenden Gemeinde der sog. „Vier Weiler“, zu der neben Igelsbach die Dörfer Pleutersbach, Neckarwimmersbach und Rockenau gehörten, eine Sonderentwicklung. [Badisch-] Igelsbach war mit Pleutersbach der kleinste der vier Eberbacher Weiler. Deren Verhältnis zur Stadt war zwangsläufig zwiespältig. Einerseits zählten sie sich zur Stadt Eberbach, allerdings ohne ein unmittelbares Bürgerrecht zu besitzen. Andererseits suchten sie nach eigenen Verdienstmöglichkeiten, die durchaus städtischen Interessen zuwiderliefen. Die Untertanen in den Eberbacher Weilern konnten in der Stadt Eberbach Grundbesitz erwerben, mussten dann aber wie die Bürger Steuern entrichten.

Trotz der engen Verbindungen und eingeräumten Vorrechte bildete sich in den Weilern schon im späten 16. Jahrhundert eine separate politische Organisationsform heraus. Schultheiß, Anwald (= Vertreter des Schultheißen im Dorfgericht) und Gerichtsschöffen bildeten ein gemeines Dorfgericht in der „Gemeinde der Vier Weiler“. [Badisch-] Igelsbach hatte, zumindest seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts, einen eigenen Anwalt und einen Vertreter im Ortsgericht. Auf kommunaler Ebene gab es schon den Bürgermeister; unsicher ist nur, ob die vier Weiler einen gemeinsamen oder jeder einen eigenen Bürgermeister besaßen. In den folgenden Jahren ging es nun für die Weiler darum, sich von Eberbach und auch untereinander weiter abzugrenzen.

Nach der Verselbständigung der drei anderen Weiler im 19. Jahrhundert unterstand Badisch-Igelsbach als „abgesonderte Gemarkung oder Colonie“ im Sinne der badischen “Gemeindeordnung” von Ende Dezember 1831 der rechtlichen Aufsicht zuerst von Neckarwimmersbach, dann von Eberbach, hatte aber mit dem Stabhalter, dessen Funktion erstmals gesetzlich geregelt war, und dem Verwaltungsrat eigene Vertretungsorgane. Die Aufsicht von Neckarwimmersbach beschränkte sich auf die Grund- und Pfandbuchführung. Die Verwaltung und die polizeilichen Kompetenzen standen dem Stabhalter von Igelsbach zu, dessen Amt seit 1818 nachweisbar ist. Der Weiler besaß ursprünglich ein gemeinsames Gerichtssiegel mit einer sich auf die örtlichen Verhältnisse beziehenden Wappenbeschreibung. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts führte Igelsbach ein „redendes“ Wappen mit einem Igel. Die „Colonie“ hatte eigene Rechnungsführung und amtlich verpflichtete Organe wie den Rechner, auch gewählte Vertreter im Verwaltungsrat. Der Stabhalter wurde vom jeweiligen Bezirksamt ernannt, später jedoch wie der Verwaltungsrat von den beitragspflichtigen Bürgern der „Colonie“ gewählt.

Der Anstoß zur Vereinigung  von Badisch-Igelsbach mit Eberbach ging vom Bezirksamt Heidelberg aus. Der Eingliederung und Vereinigung der Gemarkungen stimmten die städtischen Organe schon im Dezember 1923 prinzipiell zu. Doch sollte es wegen der Durchführung und der Sicherung der Ansprüche (Bürgernutzen, Farrenhaltung, Schulverhältnisse, Vertretung der Igelsbacher in den Eberbacher Organen) und der Vermögenslage der Igelsbacher noch zu längeren Verhandlungen kommen, die bis Mai 1925 andauerten. Die Wasserversorgung blieb wie bisher eine Gemeinsamkeit der beiden Ortshälften von Igelsbach, für die Einführung der Elektrizität im badischen Teil sollte die Stadt Eberbach Sorge tragen, entweder durch das Badenwerk oder durch das Gammelsbachwerk. Rückwirkend zum 1. April 1925 wurde Badisch-Igelsbach zum vollwertigen Glied der Stadt Eberbach. Igelsbach erhielt wie andere Stadtteile einen Stabhalter und ein Gemeindesekretariat „zur Geltendmachung besonderer Interessen“. Der Eberbacher Gemeinderat übernahm den neuen Stadtteil Anfang August 1925. Die Stellung des Stabhalters wird für den hessischen Teil heute vom Ortsbeauftragten und im badischen Teil vom Bezirksbeiratsvorsitzenden eingenommen, der seit 1988 den alten, nicht mehr gesetzlich legitimierten Stabhalter ablöste.

Die Aufhebung der trennenden Grenze in Igelsbach, die den Status einer Landesgrenze besitzt, durch eine Umgemarkung wurde mehrfach versucht, so im Jahre 1909 vom Bezirksamt Eberbach. Im Februar 1931 unterstützte offenbar ein Teil der Einwohner von Hessisch-Igelsbach die Eingemeindung nach Eberbach. Doch stieß dieser Antrag wegen der damit zusammenhängenden Änderung der Landesgrenze nicht nur auf den Widerstand der Stadt Hirschhorn, sondern auch auf die prinzipiellen Bedenken der übergeordneten Landesbehörden, die auf eine generelle Bereinigung des Grenzverlaufs zwischen Baden und Hessen setzten. Im Mai 1935 regte Eberbach eine erneute Veränderung der Landesgrenze durch die Eingemeindung von Hessisch-Igelsbach an. Die Veränderung der Landesgrenze im sog. Hirschhorner Zipfel (Stichpunkt: Hessisch-Igelsbach wie Umgliederung Hirschhorns) zugunsten des Mittelzentrums Eberbach aufgrund der vom Grundgesetz geforderten Neugliederung des Bundesgebiets ließ sich trotz mehrerer Vorstöße nicht durchsetzen.

Die kirchliche Zugehörigkeit von Igelsbach entsprach der politischen Gliederung. Die Igelsbacher aus dem Hirschhorner Stadtteil gehörten in die Pfarrei Hirschhorn, die Einwohner von Badisch-Igelsbach dagegen zur Pfarrei Eberbach. Da ein eigenes Schulgebäude fehlte, wurde zunächst in Privathäusern unterrichtet. Wegen des weiten Schulweges wurde schließlich im Jahr 1930 ein gemeinsames Schulgebäude errichtet und vor Ort der Unterricht erteilt. Mit Hilfe des MGV Igelsbach wurde 1962 sogar eine Schulturnhalle errichtet. Wegen der geringen Schülerzahl wurde 1969/70 die Auflösung der Schule beschlossen.

Bis in das 19. Jahrhundert hinein betrieben die Einwohner Igelsbachs den traditionell hergebrachten Berufszweig der Landwirtschaft, nur einer von ihnen übte 1843 noch zusätzlich ein Gewerbe aus. Im Eberbacher Teil gab es weder Bäcker noch Metzger. Seit 1835 ist im sog. Igelsbacher Hof, der zu Igelsbach zählte, eine Gaststätte nachweisbar. Die Anfänge des Lokals Grenze, ursprünglich eine Schankwirtschaft, reichen ebenfalls in das 19. Jahrhundert zurück. Schon 1919 wurde die Straße nach Igelsbach neu gebaut. 1920/21 erhielt Igelsbach den Anschluss an die öffentliche Stromversorgung. Um 1955 hatte Badisch-Igelsbach 12 Häuser und 8 Scheunen; 1975 wurden in Igelsbach 170 Einwohner registriert. Der hessische Anteil an der Bevölkerung belief sich auf 114, der badische Anteil auf 56 Personen.

Literaturhinweis

  • Rüdiger Lenz / Hans Kirchhoff: Igelsbach - Ein Weiler zwischen Eberbach und Hirschhorn. 625 Jahre. Ein Streifzug durch die örtliche Geschichte, Hirschhorn 1995.
 

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